BGH
Urteil vom 19.07.2010
II ZR 23/09
Die Entscheidung, als Vereinsbeitrag nicht einen von vornherein festgelegten Betrag zu erheben, sondern ihn variabel, bezogen auf den Umsatz des Vorjahres zu ermitteln, ist keine das Vereinsleben bestimmende und daher in die Satzung aufzunehmende Grundsatzentscheidung (vgl. BGHZ 130, 243 in Abgrenzung zu BGHZ 105, 306).
Tatbestand
Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt die gemeinsamen produktspezifischen Aufgaben und Interessen seiner Mitglieder bei der Herstellung und dem Vertrieb von Pflasterklinkern wahr. Die Beklagte gehörte unter ihrer früheren Firma P. KG zu den Gründungsmitgliedern des Klägers.
Die Beklagte veräußerte ihr Unternehmen zum 1. Dezember 2006. Da sie danach keine weitere Geschäftstätigkeit im Bereich Pflasterklinker mehr entfaltete, kündigte sie mit Schreiben vom 30. November 2006 ihre Mitgliedschaft bei dem Kläger "zum nächstmöglichen Termin". Unter Hinweis auf die in § 4 Nr. 1 der Satzung geregelte Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende bestätigte der Kläger die Beendigung der Mitgliedschaft zum 31. Dezember 2007.
Nach § 5 Abs. 2 der Satzung des Klägers sind die Mitglieder u.a. verpflichtet, die von den zuständigen Organen ordnungsgemäß beschlossenen Beiträge und Umlagen zu bezahlen. Nach § 8 Abs. 2 Buchst. d der Satzung obliegt der Mitgliederversammlung die "Festsetzung der Beiträge, Umlagen u.ä.". In der Mitgliederversammlung vom 29. April 1996 wurde einstimmig eine neue Beitragsordnung beschlossen. Die Höhe der Beiträge wurde zuletzt in der Mitgliederversammlung vom 5. Mai 2003 in der Beitragsordnung 2003 neu festgesetzt. Die Einordnung in die umsatzabhängigen Beitragsklassen nimmt der Kläger - ohne dass dies in der Satzung oder der Beitragsordnung gesondert geregelt wäre - anhand des jeweiligen Vorjahresumsatzes vor.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Vereinsbeitrags für das Jahr 2007 in Höhe von 34.867 €. Die Beitragsordnung des Klägers kombiniert einen festen Grundbeitrag mit einem an den Umsatz gekoppelten gestaffelten Erhöhungsbeitrag.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten hin die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die - vom erkennenden Senat zugelassene - Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Über die Revision des Klägers ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Das Berufungsgericht hat in seiner in OLGR Oldenburg 2009, 612 f. veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, die Mitgliedschaft der Beklagten sei zwar durch Aufgabe des Ziegeleibetriebes nicht automatisch bzw. nicht durch fristlose Kündigung zum 1. Dezember 2006, sondern erst durch ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 2007 beendet worden. Dennoch sei die Beklagte nicht zur Zahlung des Mitgliedsbeitrags für 2007 verpflichtet. Es fehle an der erforderlichen Regelung in der Satzung über die geltend gemachte Erhebung der jährlichen Mitgliedsbeiträge nach den Umsätzen des jeweiligen Mitglieds aus dem Vorjahr. Zum Schutz des einzelnen Mitglieds vor einer schrankenlosen Pflichtenmehrung durch die Mehrheit müsse sich der maximale Umfang der Beitragspflicht aus der Satzung entnehmen lassen.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Noch zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Mitgliedschaft der Beklagten bei dem Kläger erst zum 31. Dezember 2007 endete. Die Satzung des Klägers sieht in zulässiger Weise (§ 39 Abs. 2 BGB) für den Austritt eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende vor. Der in der Aufgabe des auf die Herstellung und den Vertrieb von Pflasterklinkern gerichteten Geschäftsbetriebs liegende Wegfall der für den Erwerb der Mitgliedschaft erforderlichen Voraussetzung, führte mangels einer entsprechenden Satzungsregelung (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1978 - II ZR 210/77, WM 1978, 1066, 1067; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 18. Aufl. Rn. 119) nicht zum automatischen Ende der Mitgliedschaft. Der ausschließlich in der Risikosphäre der Beklagten liegende Umstand der Aufgabe ihres Geschäftsbetriebs ist auch kein wichtiger Grund für einen fristlosen Austritt (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1954 - II ZR 33/53, LM 2 zu § 39 BGB).
2. Auf einer Verkennung der Rechtsprechung des Senats beruhen indes die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, die Beschlüsse in der Mitgliederversammlung über die Beitragsordnungen entbehrten der erforderlichen satzungsgemäßen Grundlage, weshalb die Beklagte den Beitrag für 2007 nicht schulde.
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Umstand, dass die jährlichen Mitgliedsbeiträge teilweise nach den Umsätzen des Vereinsmitglieds aus dem Vorjahr nach einem bestimmten Schlüssel zu entrichten sind, nicht um eine in die Satzung des Vereins aufzunehmende Grundentscheidung. Der Senat hat bereits für ein - dem vorliegenden Fall vergleichbares - an der Bilanzsumme der Vereinsmitglieder orientiertes Beitragssystem entschieden, dass es grundsätzlich ausreicht, wenn die Satzung die Erhebung von Beiträgen vorsieht und das für deren Festsetzung zuständige Organ, das nicht notwendigerweise die Mitgliederversammlung zu sein braucht, bezeichnet (BGH, Urteil vom 10. Juli 1995 - II ZR 102/94, BGHZ 130, 243, 246; ebenso Burhoff, Vereinsrecht, 7. Aufl. Rn. 81; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl. Rn. 897; MünchKommBGB/Reuter, 5. Aufl., § 58 Rn. 3; Habermann in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2005, § 58 Rn. 3; a.A. Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Aufl. Rn. 217 a). Umstände die im Streitfall ein Abweichen von diesem Grundsatz erforderlich machen, sind nicht er-sichtlich und werden vom Berufungsgericht auch nicht aufgezeigt.
Die Entscheidung, den Vereinsbeitrag nicht - unter Umständen für verschiedene Mitgliedergruppen differenzierend - mit einem von vornherein festgelegten Betrag zu erheben, sondern teilweise variabel bezogen auf den Umsatz des Vorjahres zu ermitteln, ist keine das Vereinsleben bestimmende und daher in die Satzung aufzunehmende Grundsatzentscheidung wie es der Senat in seiner einen Sonderfall betreffenden Entscheidung vom 24. Oktober 1988 angenommen hat (II ZR 311/87, BGHZ 105, 306, 313 f.). Diese Entscheidung betraf Beiträge für die Sicherheitseinrichtung der Kreditgenossenschaften. Die Wahl eines nicht als Einlagensicherung konzipierten Sicherungssystems, sondern einer auf regionaler Grundlage organisierten Institutssicherung, bei der weitgehende Ermessensfreiheit der zuständigen Verbandsorgane hinsichtlich der zur Sanierung eines gefährdeten Mitgliedes zu ergreifenden wirtschaftlichen Maßnahmen bestand, brachte die Gefahr mit sich, dass schon ein einziger größerer Sanierungsfall zu unübersehbaren zusätzlichen Beitragsbelastungen der regional betroffenen Kreditinstitute führen konnte. Dies unter anderem machte es erforderlich, die Grundzüge der Beitragspflichten, insbesondere auch eine Höchstgrenze derselben in die Satzung aufzunehmen. Damit wurde dem verbandsrechtlichen Grundsatz Rechnung getragen, dass die mit der Mitgliedschaft verbundenen finanziellen Lasten sich in überschaubaren, im Voraus wenigstens un-gefähr abschätzbaren Grenzen halten müssen (BGH, Urteil vom 10. Juli 1995 - II ZR 102/94, BGHZ 130, 243, 247). Dieser Grundsatz ist im vorliegenden Fall nicht berührt. Das einzelne Mitgliedsunternehmen des Klägers kann seinen umsatzabhängigen Beitragsanteil aufgrund der bisherigen Umsätze und der vorhandenen Beitragsordnung unschwer im Voraus abschätzen. Unüberschaubare finanzielle Risiken birgt dieses System der Beitragserhebung nicht.
b) Anders als das Berufungsgericht meint, muss sich auch der maximale Umfang der Beitragspflicht der Satzung nicht entnehmen lassen. Die vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Auffassung zitierte Rechtsprechung des Senats verlangt dies nicht. Das Erfordernis, in der Vereinssatzung eine der Höhe nach bestimmte oder objektiv bestimmbare Obergrenze festzulegen, bezieht sich auf finanzielle Belastungen, die - anders als im Streitfall - über die reguläre Beitragsschuld hinausgehen (BGH, Urteil vom 2. Juni 2008 - II ZR 289/07, ZIP 2008, 1423 Rn. 21; vom 24. September 2007 - II ZR 91/06, ZIP 2007, 2264 Rn. 11). Im Gegensatz dazu muss die Höhe der regelmäßigen Beiträge nicht in der Satzung bestimmt sein (BGH, Urteil vom 24. September 2007 - II ZR 91/06, aaO Rn. 12; Sauter/Schweyer/Waldner aaO Rn. 120; Reichert aaO Rn. 897). Damit wird auf ein praktisches Bedürfnis des Vereins Bedacht genommen. Der Verein muss seine Kosten laufend durch Mitgliedsbeiträge decken und ist gezwungen, diese der Preisentwicklung anzupassen, weil die Vereinsmitglieder in der Regel keine Kapitaleinlage leisten und der Verein über keine laufenden Unternehmenseinkünfte verfügt. Es führte zu einem unnötigen, unzumutbaren und vermeidbare Registereintragungskosten verursachenden Aufwand, wegen der Anpassung des regelmäßig zu zahlenden Beitrags die Satzung Jahr für Jahr zu ändern (BGH, Urteil vom 24. September 2007 - II ZR 91/06, aaO). Aus der einen Sonderfall betreffenden Senatsentscheidung vom 24. Oktober 1988 (II ZR 311/87, BGHZ 105, 306) ergibt sich, wie der Senat bereits in der Entscheidung vom 10. Juli 1995 (II ZR 102/94, BGHZ 130, 243, 246 f.) klargestellt hat, nichts anderes.
III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung. Mangels Endentscheidungsreife ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562, 563 Abs. 1 ZPO), damit es - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien und Beweiserhebung - die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Die Berechtigung der Klageforderung hängt - jedenfalls hinsichtlich der Höhe - unter anderem von der vom Berufungsgericht offen gelassenen Frage ab, ob der Beschluss über die Beitragsordnung in der Mitgliederversammlung vom 5. Mai 2003 wegen eines Ladungsmangels insgesamt nichtig ist. Hierzu wurden bisher keine Feststellungen getroffen.
Weiter weist der Senat auf folgendes hin: Der im Vereinsrecht geltende Grundsatz der Gleichbehandlung aller Vereinsmitglieder, durch den die Organisationsgewalt des Vereins eine allgemeine Beschränkung erfährt (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1967 - II ZR 142/65, BGHZ 47, 381, 386; vom 9. Juni 1997 - II ZR 303/95, ZIP 1997, 1591, 1592 f. unter III.; Reichert aaO Rn. 838, 840; Weick in Staudinger aaO § 35 Rn. 14), gewinnt besondere Bedeutung bei der Erhebung der Mitgliedsbeiträge (BGH, Urteil vom 24. März 1954 - II ZR 33/53, LM 2 zu § 39 BGB; vgl. LG Bonn, DB 1992, 879, 881). Die auf ständiger Übung des Klägers beruhende Ermittlung des umsatzabhängigen Beitragsanteils aus dem Umsatz des jeweils vorausgegangenen Kalenderjahres könnte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, wenn das zum Beitrag herangezogene Mitgliedsunternehmen - wie die Beklagte - im Beitragsjahr wegen endgültiger Geschäftsaufgabe keinen Umsatz mehr erzielt, es sei denn hierfür bestünde ein sachlicher Grund. Ein solcher könnte gegeben sein, wenn etwa im ersten Jahr der Mitgliedschaft ein auf das Vorjahr bezogener umsatzbezogener Beitrag nicht gefordert worden ist, sondern nur der Grundbeitrag. Die Zurückverweisung gibt den Parteien die Möglichkeit, zur sachlichen Rechtfertigung ergänzend vorzutragen.
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 23.07.2008 - 10 O 705/08 (47) -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 18.12.2008 - 8 U 182/08 -